Dienstag, 19. Oktober 2010

Mittelalterwiki und Tempus Vivit

Irgendetwas hat eben die Idee in mir heraufbeschworen, dass ein Mittelalterwiki doch gar keine so schlechte Idee wäre. Als ich danach gegoogelt habe, war die Ausbeute aber eher mager. Natürlich etliche Ergebnisse von Wikipedia selbst. Aber auch einige Projekte die explizit themengebunden waren.
Unter anderem führte ein Ergebnis zu einer Forendiskussion bei Tempus Vivit. Und wie eigentlich immer, sind die User bei Tempus Vivit gegen Neuerungen, Dinge die das Leben eventuell einfacher machen könnten oder einfach möglicherweise praktisch sind. Diese grundsätzlich ablehnende Haltung widerstrebt mir ungemein. Das ist auch ein Grund, weshalb ich mich, nach einem anfänglichen Intermezzo mit blutiger Nase, aus diese Foren fern halte. Die Diskussionskultur dort ist ziemlich aggressiv und differierende Meinungen werden nicht nennenswert toleriert. Es ist auch müßig, dort eine Frage zu stellen. Letztlich werden alle Diskussionen eher Streitgespräche, deren Nährgehalt kaum mehr auf die Ausgangsfrage zu beziehen ist und nichts, als ein schlechtes Bauchgefühl zurücklassen. Selbst wenn ich dort nur Themen als Beobachter lese, ohne eigene Beteiligung, werde ich diesen Knoten oft nicht los. Natürlich gilt dies nicht für alle Themen durch die Bank weg, aber die meisten von offensichtlich breiterem Interesse. Auch die offensichtlichen Feindschaften der User, die sich durch die verschiedensten Threads ziehen und für den außenstehenden Beobachter einfach zu den absurdesten Einträgen führen, stören den Lesefluss sehr. Insofern ist es schade, dass diese ernsthaften Menschen, die offenkundig sehr viel Zeit mit der Recherche verbringen, nicht ebenso viel Reife und Aufgeschlossenheit aufweisen in der Art und Weise wie sie ihre Diskussionen führen. Auch in so einer Community macht der Ton die Musik.

Um zum Wiki zurückzukehren. Ich bin nicht fündig geworden. Es gab eben viele abgebrochene Projekte, die ohne Inhalt, oder sogar so verwaist, dass die Domains längst wieder zum Verkauf standen.
In jener Diskussion wurden die allgemeinen Probleme eines Wikis angesprochen. Natürlich muss man hinzufügen, dass die Diskussion April 2006 bis Juli 2007 gezogen hat, also auch nicht mehr so ganz taufrisch ist, aber der ablehnende Tenor der alteingesessenen war überwältigend. Eine Userin, die bei diesem Projekt mit eingestiegen war hat versucht das ganze vor der Community zu rechtfertigen, aber wo kein Wille ist, ist noch weniger Interesse. Letztlich ist auch dieses Projekt eines jener abgebrochenen, die nicht mehr existieren. Eigentlich Schade.

Was sind nun die grundsätzlichen Probleme bei einem Wiki?
1.) Dass Hinz und Kunz, also jeder, sich daran beteiligen kann und ohne weitere Qualifikation einen Artikel zusammenschustern kann.
2.) Dass die Umgrenzung der Materie gegeben sein muss. In diesem Fall wurde die Unschärfe zwischen Mittelalter und Mittelalter-Szene kritisiert.
3.) Dass auch dort Unterschiedliche Meinungen dazu führen, dass der Artikel darunter leidet (ein sogenannter 'Editwar')

Und über diese allgemeinen Punkte hinaus wurde noch der allgemeine Nutzen in Frage gestellt wurde, da:
a) So den Leuten mundgerechte Informationshappen vorgeworfen werden, die dazu animieren keine eigenen Recherchen zu betreiben.
b) Es ja bereits die Wikipedia gibt, an der man sich ggf. beteiligen kann um dort bestehende Artikel zu verbesser, zu vervollständige, zu ergänzen oder hinzuzufügen.
c) Es ein zu umfangreiches Projekt sei, als dass man es in seiner Freizeit, nebenbei betreiben bzw. betreuen könnte.

Dass aber gerade diese Recherche versessenen Individuen sich so gegen ein separates Wiki sträuben, verwunderte mich. Gerade, weil ich der Meinung war, dass Wikipedia oft sehr schwammig ist und wenig Belege hat - und Belege fordern jene Individuen ständig. Zudem, wurde auch als Gegenargument angeführt, dass schon andere, wissenschaftliche Projekte an ihrem Umfang gescheitert sind. Aber den Vorzug eines Wikis gegenüber den Printmedien ist eindeutig seine unmittelbare Aktualisierbarkeit, so dass neue Erkentnisse ohne große Verzögerungen und Kosten eingepflegt werden können.
Zudem hat niemand gesagt, dass dieses Wiki in einem Kraftakt von heute auf morgen stehen muss und sofort benutzbar sein soll. Sicher, wenn der geneigte User das Wiki besucht und schon Einträge vorfindet, ist das gut. Wenn aber noch nicht zu jedem Thema und jedes Thema erschöpfend zur Bearbeitung gekommen ist, ist das auch kein Beinbruch. Selbst die große Wikipedia arbeitet in kleinen Schritten und wächst Tag für Tag weiter. Auch dank seiner vielen User.
Dass nun jedes beliebige Individuum seine Gedankenergüsse dort veröffentlichen kann, scheint problematisch. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es keine technische Möglichkeit gibt, die Autoren selektiv zuzulasse. Der organisatorische Aufwand mag ja am Anfang enorm sein, bis man einen Grundstock vertrauenswürdiger und fähiger Autoren gefunden hat, aber wenn man sich dem Anspruch verschrieben hat etwas repräsentatives, informatives, nicht willkürliches o.ä. zu schaffen, gibt es sicherlich einen Weg.

Selbst die Durchmischung von historischen Fakten zum Mittelalter mit dem Bereich der Mittelalter-Szene sollte kein Problem darstellen. Es muss natürlich genaue, allgemein unter den Autoren bekannte und anerkannte Trennlinien geben zwischen beidem. Insbesondere in den Artikeln muss immer klar sein, was in den Bereich des historischen, belegbaren gehört und was eher in die 'es ist bequemer und trägt zum Ambiente bei'-Ecke.

Und was nun so unsagbar schlimm daran sein soll Menschen mundgerecht die Informationen zukommen zu lassen, die sie suchen, ist mir nun gänzlich schleierhaft. Man muss immer im Hinterkopf haben, dass nicht jeder mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden vertraut ist, und dass der Einstieg für einen Laien äußerst schwierig ist. Dass es immer wieder welche geben wird, die sich auf Hörensagen verlassen, wird auch das Verteufeln eines Wikis nicht ändern. Aber andersherum könnte ein Wiki dem Interessierten Laien als Einstieg dienen. Wer sich für ein Thema interessiert, wird auch von alleine weiter graben und eigene Recherchen anstellen. Den eher arbeitsscheuen Individuen da draußen könnte aber auch das Wiki gut tun, wenn es fundiert angelegt ist und klar die gängigen Mittelalter-Szene Faux Pas aufzeigt und dafür auf die belegbaren Alternativen verweist.

Und der ungemeine Vorteil gegenüber den zahlreichen Foren ist wohl die klare Struktur, die darauf ausgelegt ist mit einzelnen Such- und Schlagwörtern dem Suchenden Antworten zu liefern. Foren dagegen entwickeln sich wie es natürliche Gebilde gerne tun, mit Umwegen, schweifen vom Thema ab und oft fehlen auch dort trotzdem die Belege, die dem Suchenden womöglich weiter geholfen hätten. Zudem kommen dort oft viele unterschiedliche Themen zum Vorschein, die oft nur in einer Nebennotiz, die irgendwo zwischen zahllosen Seiten versteckt ist. Die Mühsal so die in so ziemlich jedem Forum geäußerte Bitte, erst die Suche zu bemühen, ehe man einen neuen Thread startet, die meisten Usern schon zu viel ist und sie sich darüber hinwegsetzen - was die Suche keinen Deut leichter macht. Das Wiki dagegen Ordnet seine Themen in gesonderten Artikeln, die die Möglichkeit haben über Links auf anderen Artikel zu verweisen und so ein Netz an Informationen zu weben.

Um auch eine gewisse Qualität der Artikel zu gewährleisten, sollte nicht der persönlichen Präferenz Rechnung getragen werden, sondern ruhig auch auf differierende Forschungsmeinungen Bezug genommen werden. Es mag wohl nicht jedem leicht fallen sein persönliches Urteil daraus zu halten, aber es ist möglich. Die Auslese der Autoren sollte aber auch auf diese Fähigkeit zur subjektiven Objektivität berücksichtigen.

Als abschließendes Schmankerl könnte man vielleicht auch anführen, dass man zwar einen ernsthaften Ton in den Artikeln anschlagen sollte, jedoch hier die Möglichkeit besteht in allgemein verständlicher Sprache Informationen unter die Menschen zu bringen.

Es will wohl überlegt sein, ehe man sich so ein umfangreiches Projekt aufbürgt. Aber das wäre gerade meine Kragenweite und irgendwie genau mein Ding, Informationen zusammentragen etc. Aber wie bei so vielem im Moment, bleibt das einstweilen eine Idee, die hinter meinen derzeitigen Studienbemühungen hintenan stehen muss.